Superfood: Der Mythos der modernen Ernährungswunder

In den letzten Jahren hat sich der Begriff „Superfood“ immer mehr in den Alltag geschlichen. Lebensmittel wie Chiasamen, Goji-Beeren, Quinoa oder Matcha werden regelrecht als Gesundheitswunder gefeiert. Doch was steckt eigentlich hinter diesem Hype? Warum werden gerade diese Lebensmittel mit einer besonderen Bedeutung aufgeladen, und wer trägt dazu bei, dass sie so beliebt werden? Vor allem: Wie wird die Neuheit dieser Produkte gezielt genutzt, um die Aufmerksamkeit der Konsument*innen zu gewinnen? Dieser Text beleuchtet die Mechanismen und Hintergründe, die den Mythos „Superfood“ entstehen lassen.

von Paulin Kudla

18. Dezember 2025

Kommunikation in Institutionen und Organisationen

Stock-Bild

Warum Superfoods so besonders erscheinen

Das Wort „Superfood“ klingt fast magisch – als ob bestimmte Lebensmittel eine außergewöhnliche Wirkung auf die Gesundheit hätten. Doch dabei handelt es sich um keinen wissenschaftlichen Begriff, sondern um eine Marketing-Idee. Grundsätzlich werden als Superfoods Lebensmittel bezeichnet, die besonders viele Nährstoffe oder Vitamine enthalten sollen. Chiasamen beispielsweise wird ein hoher Gehalt an Omega-3-Fettsäuren nachgesagt, während Matcha-Tee als antioxidatives Wunder gesehen wird. Oft werden diese Lebensmittel aber isoliert betrachtet und nicht mit heimischen Alternativen wie Leinsamen oder Heidelbeeren verglichen, die ähnlich gesund sein können (vgl. Barmer 2024).

Ein entscheidender Punkt ist, dass viele dieser Superfoods exotisch wirken. Sie kommen aus fernen Regionen wie Südamerika oder Asien und werden oft mit traditionellen Heilmethoden oder „uraltem Wissen“ in Verbindung gebracht (vgl. Stiftung Gesundheitswissen 2022). Das vermittelt den Eindruck, dass es sich um besondere Geheimnisse handelt, die jetzt erst entdeckt wurden. Gleichzeitig wird der Konsum von Superfoods mit Gesundheit, Schönheit und einem besseren Lebensgefühl assoziiert – Werte, die in unserer heutigen Gesellschaft eine immer größere Rolle spielen (vgl. Verbraucherzentrale 2021).

Superfoods sind mehr als nur Lebensmittel – sie sind Teil eines modernen Trends, der sie mit einer besonderen Bedeutung auflädt. Genau das beschreibt Roland Barthes in seiner Theorie: Alltägliche Dinge bekommen durch Sprache und Bilder eine tiefere, oft ideologisch geprägte Bedeutung. Superfoods wie Chiasamen oder Matcha werden nicht nur wegen ihrer Nährstoffe beworben, sondern als Symbol für einen gesunden, reinen und oft sogar exklusiven Lebensstil dargestellt. Barthes würde sagen, dass dieser Mythos gezielt konstruiert ist. Begriffe wie „natürlich“, „rein“ oder „authentisch“ lassen Superfoods als Schlüssel zu einem besseren Leben erscheinen. Dabei wird übersehen, dass hinter dieser Erzählung starke wirtschaftliche Interessen stecken. Die Lebensmittelindustrie nutzt diesen Mythos, um einfache Produkte besonders begehrenswert zu machen. Gleichzeitig lenkt der Hype von wichtigeren Fragen ab: Brauchen wir wirklich teure Importprodukte, um uns gesund zu ernähren?

Wer treibt den Hype an?

Der Mythos um Superfoods wäre ohne bestimmte Akteure nicht möglich. Vor allem die Lebensmittelindustrie spielt eine zentrale Rolle. Hersteller und Händler vermarkten Superfoods gezielt als exklusive Produkte. Verpackungen suggerieren Natürlichkeit und Reinheit, oft mit Begriffen wie „bio“, „vegan“ oder „frei von Zusatzstoffen“ (Brandwatch 2019). Die Preise für Superfoods liegen häufig deutlich höher als für herkömmliche Produkte mit ähnlichem Nährstoffgehalt, was zusätzlich den Eindruck von Exklusivität verstärkt.

Auch soziale Medien tragen massiv zur Popularität von Superfoods bei. Influencer*innen und Food-Blogger*innen inszenieren die Produkte in schön angerichteten Bowls oder Smoothies und verknüpfen sie mit einem gesunden, erfolgreichen Lifestyle (vgl. Firebelly Marketing 2023). Sie zeigen nicht einfach nur, wie man Chiasamen isst – sie vermitteln die Botschaft: „Wenn du das konsumierst, wirst du fitter, gesünder, schöner.“ Prominente und Models verstärken diesen Effekt, indem sie Superfoods in Interviews oder auf Instagram als Teil ihrer „Erfolgsgeheimnisse“ präsentieren (vgl. MacGregor, H.E.A. et al. 2018).

Ein weiterer wichtiger Träger des Hypes sind Medien und Wissenschaft. Berichte über Studien, die die gesundheitlichen Vorteile von Superfoods hervorheben, werden oft ohne kritischen Kontext wiedergegeben (vgl. Verbraucherzentrale 2021). Dabei wird nicht hinterfragt, ob diese Studien tatsächlich repräsentativ sind oder ob sie von der Industrie beeinflusst wurden. Diese vermeintlich „wissenschaftlichen“ Beweise verleihen dem Mythos eine Glaubwürdigkeit, die den Erfolg zusätzlich antreibt.

Warum Neuheit wichtig ist

Ein zentraler Faktor, der den Superfood-Trend immer wieder befeuert, ist die Neuheit. Superfoods werden oft als revolutionäre Entdeckungen präsentiert, auch wenn sie in ihren Herkunftsländern schon seit Jahrhunderten konsumiert werden (vgl. Stiftung Gesundheitswissen 2022). Dieser Aspekt der Neuheit ist in unserer von Konsum und Trends geprägten Gesellschaft entscheidend: Menschen sind neugierig auf Unbekanntes und fühlen sich angesprochen, wenn ein Produkt als innovativ und modern gilt.

Gleichzeitig spricht der Neuigkeitsaspekt auch das Bedürfnis nach Selbstoptimierung an (vgl. Firebelly Marketing 2023). In einer Welt, in der es ständig um Effizienz und Leistung geht, erscheint die Idee, durch den Konsum eines speziellen Lebensmittels gesünder, fitter oder schöner zu werden, besonders attraktiv. Die Einführung neuer Superfoods hält diesen Mechanismus in Gang: Kaum ist der Hype um Chiasamen oder Acai-Beeren etwas abgeflacht, kommen neue Produkte wie Baobab oder Moringa auf den Markt, die ähnliche Versprechen machen.

Die Kehrseite des Superfood-Hypes

Trotz der Begeisterung gibt es auch viele kritische Stimmen. Der gesundheitliche Nutzen von Superfoods wird oft übertrieben dargestellt. Wissenschaftler*innen weisen darauf hin, dass heimische Lebensmittel wie Leinsamen, Blaubeeren oder Grünkohl ähnliche oder sogar bessere Nährstoffprofile aufweisen – und dabei deutlich günstiger und nachhaltiger sind (vgl. Feines Gemüse 2017).

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass der Fokus auf einzelne „Wunderlebensmittel“ oft von einer ausgewogenen Ernährung ablenkt. Statt eine Vielfalt an Lebensmitteln zu fördern, wird suggeriert, dass bestimmte Produkte allein ausreichen, um gesund zu bleiben. Dieser Ansatz passt gut in eine konsumorientierte Wellness-Kultur, die eher auf schnelle Lösungen setzt, anstatt ganzheitliche Konzepte zu fördern.

Fazit

Der Mythos Superfood zeigt, wie eng Gesundheit, Lifestyle und Konsum heute miteinander verknüpft sind. Der Begriff „Superfood“ ist vor allem ein Marketinginstrument, das von der Sehnsucht nach Gesundheit, Authentizität und Selbstoptimierung lebt. Gleichzeitig spielt der Neuigkeitsaspekt eine entscheidende Rolle, um immer wieder neue Produkte in den Fokus zu rücken. Doch bei aller Begeisterung sollten wir die sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Aspekte nicht aus den Augen verlieren. Der Mythos der Superfoods sagt nicht nur etwas über aktuelle Ernährungstrends aus, sondern auch über die Werte und Widersprüche unserer Gesellschaft.

Literaturverzeichnis:

MacGregor, H. E. A. / Petersen, A. / Parker, C. (2018): Promoting a healthier, younger you: The media marketing of anti-ageing superfoods. In: Journal of Consumer Culture, Vol. 18 (2), S. 229–247.

BARMER (2024): Heimische Superfoods: wirken sie?

Brandwatch (2019): Das sind die Top 7 Food Trends 2019 in Social Media.

Feines Gemüse (2017): Chia, nein danke! 5 Gründe, warum ich nichts von Superfoods halte.

Firebelly Marketing (2023): Why Highlight Superfood Ingredients In Your Social Media Marketing.

Stiftung Gesundheitswissen (2022): Wie super sind Superfoods wirklich?

Verbraucherzentrale (2021): Superfood: Diese Alternativen sind gesund und günstig.

 

Dieser Beitrag ist auch im Blog instikomm abrufbar.