Hausfrau versus Starkoch: Gender in der heimischen und professionellen Küche

Die Zubereitung und der Genuss von Speisen sind in vielen Kulturen mit Ritualen und tief verwurzelten symbolischen Bedeutungen verbunden und finden zudem meist in der Küche statt. Und siehe da, in fast jeder dieser Traditionen findet sich die häusliche Küche als der Ort der weiblichen Präsenz. Was jedoch oft übersehen wird, ist, dass diese scheinbar natürliche Rolle der Frau als Köchin im eigenen Haushalt nicht aus einer natürlichen Neigung der Frau zu dieser Tätigkeit erwächst, sondern durch kulturelle Normen und historische Entwicklungen geprägt wurde. In der heutigen Zeit sollte man meinen, dass versucht wird, diese strikte Rollenverteilung aufzubrechen. Doch es scheint nicht so einfach zu sein. An vielen Stellen in unserer Gesellschaft ist diese tätigkeitsbezogene Verteilung der Geschlechterrollen immer noch zu finden.

von Lucy Arun, Lilli Kitzinger, Nina Pothmann und Alena Vieten

11. September 2025

Kommunikation in Institutionen und Organisationen

Frauen und Männer beim Kochen. Copyright: https://www.kuechenkompass.com/blogdetail/frauenkueche-maennerkueche.html

Die ungewürdigte Hausfrau und der sensationelle Sternekoch

Schauen wir uns alte Werbeplakate aus den 1950ern an: Sobald es in diesen um das Kochen oder das Backen geht, ist eine Frau auf dem Plakat zu sehen. Die Adressant:innen sind demnach klar. So ist es nicht überraschend, dass das Werbeposter von Dr. Oetker für die Fußball-WM 2018 mit Entsetzen rezipiert wurde. Eine Frau ist zu sehen und die Schrift dazu besagt „Back deinen Mann glücklich“. Wir leben doch nicht mehr in den 50ern? Dr. Oetker versucht im Nachgang, die Message des Posters richtigzustellen: Sie sollte ironisch gemeint sein und wurde von Frauen entwickelt (vgl. Spiegel 2018). Das Problem an der ganzen Geschichte: Niemand hat sie als ironisch gelesen, da vor nicht allzu langer Zeit dieses Poster als „normal”, d.h. unironisch, verstanden worden wäre.

Werbeplakat von Dr. Oetker für die WM 2018. Copyright: Dr. Oetker.

Das vermittelte sexistische Rollenbild ist noch heute so stark in den Köpfen der Gesellschaft eingebrannt, dass die Ironie hier leider nicht gesehen wurde. 

Bleiben wir noch für einen Moment bei den Werbeplakaten. Falls doch ein Mann in Kochwerbung zu sehen ist, dann trägt er eine weiße Uniform. Er ist ein Profi-, gar ein Sternekoch. Er wird bezahlt. Frauen in der Kochwerbung werden als Hausfrauen dargestellt. Sie werden nicht bezahlt. Ihre Kocharbeit ist selbstverständlich. Ähnlich sieht es auf Covern von Kochbüchern und bei Filmen aus.

Werbeplakat von Dr. Oetker aus den 1950er. Copyright: Dr. Oetker.

Betrachten wir einmal die Welt der Spitzenrestaurants, der hohen Kunst der Küche, in der Männer wie Gordon Ramsay, Nelson Müller, Steffen Henssler und Tim Mälzer als unangefochtene Herrscher gelten. Hier ist der Herd nicht der Ort des häuslichen Wohlstands, sondern das Schlachtfeld des Wettbewerbs, in dem sich die männlichen Protagonisten durchsetzen. Die Tatsache, dass die Sterneküche männlich dominiert ist, führt zu einer ideologischen Verzerrung: Der Mythos von der „Frau als Köchin“ im Haushalt geht immer noch davon aus, dass Frauen ihre „wahren“ Fähigkeiten dort ausleben. Die Profis hingegen stehen in einer völlig anderen Tradition, in der Kunst, Status und Prestige verknüpft sind. Hier wird die Küche zum Schauplatz des Erfolgs und nicht zum „wunderbaren“, aber unterbewerteten Beruf. Statistiken bestätigen diese Trennung: Die Ausbildung zum Chefkoch ist bei den Männern weitaus beliebter als bei den Frauen (vgl. Thüringer Landesamt für Statistik 2010, vgl. Thüringer Landesamt für Statistik 2013).

Werbeplakat von Maggi aus den 1950er. Copyright: Maggi.

In den sozialen Medien hat sich die Zubereitung von Lebensmitteln längst zu einem wichtigen Ausdruck des persönlichen Lebensstils entwickelt. Doch hinter den trendigen Rezepten verbirgt sich mehr als nur die Leidenschaft fürs Kochen – es geht oft auch um Ernährungstipps, die vor allem den gesunden Lebensstil betonen (vgl. Roth 2021: 22-27). Die Ideen werden oft durch idealisierte, meist sportliche und schlanke Körper dargestellt, die zudem geschlechtsspezifisch geprägt sind – mit schlanken Frauen und muskulösen Männern. Frauen werden in den sozialen Medien oft dabei gezeigt, wie sie in der privaten, heimischen Küche verspielte Bowls anrichten oder bunte Sandwiches zubereiten – leichte, frische und ästhetisch ansprechende Gerichte, die den Trend zur gesunden Ernährung unterstreichen. Männer hingegen präsentieren sich eher beim Zubereiten von proteinhaltigen, fleischlastigen Gerichten, die oft mit Kraft und Männlichkeit assoziiert werden. In vielen dieser Videos sehen wir Männer an Grills oder beim Anrichten von gehaltvollen Fleischgerichten, während die Küche der Frauen häufig als Raum für leichte, bunte Mahlzeiten inszeniert wird.

Wandel der Männlichkeit

Ob als Witz oder tatsächlich ernst gemeint. Jede:r kennt mit Sicherheit das Sprichwort „Die Frau gehört an den Herd“. Dieses ist wahrscheinlich das bekannteste und reduziert mit seinem Inhalt die Frau auf den Haushalt und die Küche. Es ist angeblich ihre Lebensaufgabe, genauer gesagt ihre einzige Aufgabe, und sagt eigentlich aus, dass die Frau für ihren Mann kochen soll, wenn er am Nachmittag von der Arbeit zurückkommt. Die Gesellschaft entwickelt sich zwar immer mehr in die Richtung, dass auch der Mann für den Haushalt und das alltägliche Kochen zuständig ist, allerdings gehen trotzdem die meisten Menschen immer noch davon aus, dass all das von der Frau erledigt wird. Möglicherweise, weil dieser Mythos schon so lange in unseren Köpfen verankert ist und alles, was von dieser Vorstellung abweicht, das Bild der „Männlichkeit“ beeinflusst (vgl. Baum 2012: 66).

In den Haushalten herrscht zudem eine familiäre Arbeitsaufteilung zwischen der „Hausfrau“ und dem Familienernährer. Heutzutage sieht man in den sozialen Netzwerken immer häufiger, dass auch Männer sich an klassische Gerichte trauen und dabei kein weißes Kochhemd tragen. In den Videos werden dann auch nicht mehr ausschließlich Steaks gebraten, sondern gesunde Hähnchen-Salate zubereitet oder auch Protein-Pancakes gemacht. Die Männlichkeit der Moderne ist auf das Wachstum des Industriekapitalismus und des Imperialismus zurückzuführen und beruht auf einer Trennung der öffentlichen und privaten Sphären. Die Identitätsbildung der Männer liegt hauptsächlich in der Arena der Erwerbsarbeit. Dadurch war klar, dass die Frau die private Sphäre und der Mann, der arbeiten ging, die öffentliche Sphäre pflegt. Heute sieht man eine zunehmende Wende, denn inzwischen arbeiten in 51 Prozent der Haushalte beide Partner (vgl. ebd.: 70).

Befreiung von traditionellen Rollenbildern

Der Mythos, dass Frauen in die (heimische) Küche gehören, ist eine Konstruktion, die historische Machtstrukturen aufrechterhält und wesentliche Aspekte von Gleichberechtigung und gesellschaftlicher Vielfalt verdeckt. Die Gesellschaft wandelt sich zunehmend dahingehend, dass keine Rolle mehr ausschließlich einem Geschlecht zugeordnet wird. Allerdings müssen sowohl Frauen als auch Männer von traditionellen Rollenbildern befreit werden, damit der Mythos vollständig überwunden wird und die Reproduktion gestoppt werden kann. Die Überwindung dieses Mythos erfordert gesellschaftliche Aufarbeitung und in erster Linie ein Wissen darüber, was den Mythos letztlich ausmacht. Ganz praktisch sind die Förderung weiblicher Vorbilder in der Spitzen- und Sterneküche sowie die gesellschaftliche Anerkennung von Hausarbeit, um starre Rollenzuweisungen zu durchbrechen. Nur durch eine kritische Auseinandersetzung mit den Ursprüngen, Formen und Auswirkungen dieses Mythos kann eine gleichberechtigte Gesellschaft entstehen.

Literaturverzeichnis

Baum, Stephanie (2012): HausMANNskost: eine Analyse des Kochens aus der Perspektive sich wandelnder Männlichkeit. In: GENDER 4 (2), S. 66-82.

Roth, Lena/ Dr. Godemann, Jasmin/ Dr. Yildiz, Juliane (2021): Soziale Medien und Ernährung – Fluch oder Segen. Online-Befragung von älteren Jugendlichen. In: Ernährung im Fokus, Ausg. 01, 2021. S. 22-27.

Röhling, Marc (2018): Dr. Oetker zeigt sexistische Werbung, hat dann seltsame Ausrede parat. [online] Homepage: DER SPIEGEL. URL: https://www.spiegel.de/panorama/dr-oetker-veraergert-mit-sexistischer-werbung-zur-fussball-weltmeisterschaft-a-00000000-0003-0001-0000-000002481438 [Stand: 21.01.2025].

Thüringer Landesamt für Statistik (2010): Girl’s Day am 22. April. Mädchen dominieren in Dienstleistungsberufen. [online] Homepage: Thüringer Landesamt für Statistik. URL: https://statistik.thueringen.de/presse/2010/pr_113_10.htm [Stand: 21.01.2025].

Thüringer Landesamt für Statistik (2013): Girls‘ Day und Boys‘ Day 2013: Mädchen wählen meist traditionelle Frauenberufe, [online] Homepage: Thüringer Landesamt für Statistik. URL: https://statistik.thueringen.de/presse/2013/pr_090_13.pdf [Stand: 21.01.2025].

 

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