Getränke mit Geschlecht
Stereotypen sind in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens präsent – auch bei der Wahl von Getränken. Tief verwurzelte Geschlechterklischees spiegeln sich dabei sowohl in der Werbung als auch in Songtexten, auf Social Media oder im Alltag wider. Während Cocktails, Sekt oder Prosecco oft mit Weiblichkeit assoziiert werden, gelten Bier oder Whiskey meistens als maskulin. Getränke mit Geschlecht – ein Mythos, der die Gesellschaft durchzieht.
von Fjolla Bajra, Hannah Frühoff, Hannah Kancer, Emma Kramer und Linette Kunst
25. September 2025
Kommunikation in Institutionen und Organisationen

Eine Gruppe stößt mit ihren verschiedenen Getränken an: zu sehen sind Wein, Bier, Saft, Whiskey und Cocktails. (Copyright: © DavideAngelini / shutterstock)
Songs als Spiegel der Trinkkultur
Sind Sie der Meinung, dass die Auswahl des Getränks viel über eine Person verraten kann? – Vielleicht ja, denn auch in der Musik wird der Ernährungsmythos der Männer- und Frauengetränke reproduziert. So stellt der Künstler Viko63 in seinem Titel „Sauf Sport Balance“ (Genius 2021) einen Zusammenhang zwischen exzessivem Bierkonsum beziehungsweise „Sauf Sport“ und einem bestimmten Lebensstil her, der Fußballspielen, Zeit mit seinen männlichen Freunden zu verbringen, Cannabiskonsum und Sex beinhaltet. Er schildert, wie er sich mit seinen „Brüdern“ auf dem Platz trifft, zum Aufwärmen ein Sixpack Bier trinkt und beim Tore schießen von seinen Freunden angefeuert wird.
Ein weiteres Beispiel ist das Lied „Hamma!“ von der deutschen Band Culcha Candela (vgl. Genius 2007). Hier wird die Getränkeauswahl von Frauen mit deren Charaktereigenschaften assoziiert. Das lyrische Ich beschreibt eine schöne Frau, die an der Bar steht und Sekt trinkt und die laut des Songtexts ganz anders ist als die anderen. Mit den anderen sind anhängliche Frauen gemeint, die „scheiße labern“ und „sich mit Cocktails das Leben süß schlabbern“. In dem Lied handelt es sich also um eine Frau, die das lyrische Ich nur vom Sehen kennt und sich vermeintlich durch die Wahl ihres Getränks auf bestimmte Eigenschaften festlegen lässt.
TikTok, Instagram & Co.: Getränke-Trends auf Social Media
Ein Blick auf Instagram, TikTok oder Pinterest verrät noch mehr: Cocktails und Bier sprechen in ihren Inszenierungen oft gezielt „typisch weibliche“ oder „typisch männliche“ Zielgruppen an. Aber was steckt hinter diesen Bildern? In den sozialen Medien erstrahlen Cocktails in knalligen Farben wie Pink oder Türkis und sind oft mit Früchten, Blüten oder kunstvoll gestalteten Zuckerrändern dekoriert. Ob bei #GirlsNight oder in Kombination mit pastelligen Emojis: Cocktails strahlen Eleganz, Verspieltheit und einen Hauch Glamour aus. Im Gegensatz dazu zeigt sich Bier in einem völlig anderen Licht. Dunkle Farben, rustikale Umgebungen wie Bars oder Grillpartys dominieren die Bildsprache. Bier steht für Authentizität und Stärke – Eigenschaften, die traditionell eher dem männlichen Geschlecht zugeschrieben werden. Die Reaktionen auf solche Bilder folgen oft den gleichen kulturellen Bedeutungszuschreibungen wie die Inszenierungen selbst. Männer, die Cocktails posten, müssen häufig mit Spott rechnen – sie gelten schnell als „unmännlich“. Frauen mit Bier hingegen werden oft als „cool“ oder „ungewöhnlich“ gefeiert. Auch die Wortwahl bei der Beschreibung von Getränken verrät einiges: Cocktails werden oft als „zart“, „spritzig“ oder „verspielt“ beschrieben, während Bier und Whiskey Begriffe wie „kräftig“, „herb“ oder „maskulin“ zugeschrieben werden. Sprache formt Bilder, und diese Bilder bestätigen die Vorstellung, dass Getränke die Eigenschaften bestimmter Geschlechterrollen symbolisieren.
„Beck’s Bier löscht Männerdurst“ – Geschlechterklischees in der Werbung
Bier spiegelt Männlichkeit wider; das will uns zumindest der Slogan „Becks Bier löscht Männerdurst“ auf einem Werbeplakat der 1960er Jahre glauben lassen. Das Irritierende dabei: Das Werbeplakat zeigt gar keine Männer, sondern eine Frau, die das Bier eingeschenkt auf einem Serviertablett präsentiert. Frauen werden dabei nicht nur nicht angesprochen, sondern als potenzielle Konsumentinnen des Getränks ganz und gar außen vorgelassen. Wenig verwunderlich ist das vor allem mit Betrachtung der damaligen rechtlichen Lage, nach der Frauen die Zustimmung ihres Ehemannes benötigten, um überhaupt Geld verdienen zu dürfen (vgl. Bundesregierung 2024). Sie kamen somit als Zielgruppe für diese Werbungen noch gar nicht infrage. Dies erstreckt sich bis zum heutigen Tage, denn auch wenn Frauen heute die gleichen Arbeitsrechte wie Männer haben, werden in Werbungen für Bier häufiger Männer als Frauen angesprochen. Wenn vielleicht auch nicht mit demselben Hintergrund wie damals, so zeigt es doch, dass Rollenbilder in Bezug auf Getränke und gerade in Bezug auf Bier als kulturelle Bedeutungen damals wie heute stark in unserer Gesellschaft vertreten sind.
Vom Stadion zum Sommerfest: Getränke und ihre festen Plätze
Nicht nur in der Werbung, die wir täglich konsumieren, sondern auch an Orten, an denen wir uns täglich einfinden, finden sich Spuren vom Mythos Getränk mit Geschlecht. Beim Fußballspiel im Stadion darf das Bier nicht fehlen und beim Mädelsabend mit den besten Freundinnen ist mit Sekt und Wein die alkoholische Getränkeversorgung gesichert. Orten, die stereotypisch den Männern zugeordnet werden und dabei eher leger, rustikal oder düster wirken – wie beispielsweise das Fußballstadion, das Motorradtreffen, die Feier im Sportverein, eine Grillparty oder Kneipe – wird Bier konsumiert, während bei „männlichen“ Orten, die im Vergleich eher edel wirken – wie Herrenclubs und Geschäftstreffen –, Whiskey oder Rum angeboten wird. Bei Orten und Anlässen wie der Mädelsabend, das Sommerfest oder ein Picknick, die stereotypisch den Frauen zugeordnet werden, wird sich für Sekt, Lillet, Wein oder einen Saft entschieden. Auch Clubs oder Kinos, die LadysNights veranstalten, werben mit einem Sektempfang. Vergleichend wird hier ebenfalls deutlich, dass eine Zuordnung von herben Getränken zu den Männern und fruchtig, süße Getränke zu den Frauen vorgenommen wird.
Getränke mit Geschlecht – die Einteilung in verschiedene Getränke in typisch ,,männlich‘‘ oder typisch ,,weiblich‘‘ spiegelt tief verwurzelte Geschlechterrollen wider, die unser Denken und Handeln beeinflussen. In einer zunehmend gleichberechtigten Gesellschaft wird es jedoch immer wichtiger, solche Klischees zu hinterfragen und aufzubrechen. Bei der Auswahl von Getränken sollte es auf den Geschmack und nicht auf Geschlechtszuweisungen ankommen. Durch den Mut, mythischen Bedeutungen zu ignorieren und durch ein bewusstes Konsumverhalten kann ein Beitrag dazu geleistet werden, dass solche Stereotypen an Bedeutung verlieren.
Literaturverzeichnis:
Genius (2021): Viko63 – Sauf Sport Balance Lyrics. [online] Homepage: Genius.com. URL: https://genius.com/Viko63-sauf-sport-balance-lyrics [Stand: 17.01.2025].
Genius (2007): Culcha Candela – Hamma! Lyrics. [online] Homepage: Genius.com. URL: https://genius.com/Culcha-candela-hamma-lyrics [Stand: 17.01.2025].
Bundesregierung (2024): 75 Jahre Grundgesetz – Gleichberechtigung im Grundgesetz. [online] Homepage: Bundesregierung.de. URL: https://www.bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte-der-bundesregierung/75-jahre-grundgesetz/gleichberechtigung-grundgesetz-2262564 [Stand: 24.01.2025].
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