„Diese Show ist Körperverletzung!“ – Krisenkommunikation bei GNTM

Um 20:15 Uhr an einem Donnerstag startet die 18. Staffel von Germany’s Next Topmodel auf ProSieben – doch anstatt einer gewohnt spektakulären Auftaktfolge beginnt die Castingshow mit einer Stellungnahme von Heidi Klum. Sie reagiert auf Vorwürfe, die seit einiger Zeit im Raum stehen. Die Moderatorin äußert sich zu Beschuldigungen wie Manipulation und Körperverletzung. Als Moderatorin, Gesicht der Show und Jurorin wird sie zum Sprachrohr der Sendung und übernimmt die Rolle der PR-Rollenträgerin. Klum konstruiert in ihrer Stellungnahme eigene soziale Kategorien und wendet dadurch verschiedene kommunikative Strategien der Krisenkommunikation an, um die Vorwürfe zu behandeln.

von Leonie Klapheck

06. Mai 2025

Multimodale Kommunikation, Soziale Interaktion & Technologie

© ds1987, DSC_1600 (CC BY-SA 2.0)

Was gehört zur Krisenkommunikation?

Die Show GNTM sah sich im Jahr 2023 einer PR-Krise gegenüber, nachdem die negative Berichterstattung in den Medien stark zugenommen hatte. Unter einer Krise wird eine Unterbrechung eines geordneten Zustands verstanden (vgl. Ulrich, 2016: 15f.). Im Fall von GNTM handelt es sich um eine vermeidbare Krise, da ein frühzeitiges Krisenmanagement und eine interne Kommunikation mit den Betroffenen die Krise womöglich abgewendet hätten.

Die Krisenkommunikation verfolgt zwei Ziele: Zum einen sollen Betroffene über die Krise informiert werden, um weiteren Schaden zu minimieren. Zum anderen soll die Reputation – wie in diesem Fall die von GNTM – geschützt werden (Hermann, 2012: 30). Daher spielt die Krisen-PR eine entscheidende Rolle, denn sie steuert gezielt die Außenwahrnehmung der Rezipienten. Dies kann über Massenmedien wie das Fernsehen vermittelt werden (vgl. ebd., 2016: 37; Ulrich, 2016: 49).

Krisen-PR ist nicht zu verwechseln mit einer PR-Krise. Eine PR-Krise beschreibt eine Kommunikationskrise, die häufig durch negative Berichterstattung ausgelöst wird (vgl. Auer, 2018: 357). Im Fall von Germany’s Next Topmodel handelt es sich um eine PR-Krise, da diese auf negativer Berichterstattung basiert. Um die Interessen der Show wiederherzustellen, wählt GNTM Heidi Klum als PR-Rollenträgerin aus, die das Handeln der Show erklären soll (vgl. Seidenglanz/Hoffjann, 2018: 29).

Wie setzen PR-RollenträgerInnen kommunikative Strategien ein?

PR-RollenträgerInnen vertreten in Krisen die Interessen einer Organisation nach außen. Ihre Aufgabe ist es, die Botschaften glaubwürdig und überzeugend zu vermitteln, um das Vertrauen der Öffentlichkeit und die Reputation wiederherzustellen (vgl. Seidenglanz/Hoffjann, 2018: 29; Ulrich, 2016: 145). Wichtig dabei ist, dass sie Autorität, Sympathie und Fachkompetenz ausstrahlen (vgl. Ulrich, 2016: 146; Hermann, 2012: 32). Sie müssen nicht explizit aus dem PR-Bereich stammen. Die zu vermittelnde Botschaft kann auch von PR-Laien übernommen werden (vgl. Auer, 2018: 369).

Typische kommunikative Strategien in Krisensituationen sind: Ausrede, Rechtfertigung, Anbiederung, Anfechtung, Betonung positiver Elemente, Verantwortlichkeit bestreiten oder auch Mitgefühl ausdrücken (vgl. Hermann, 2012: 79f.). Besonders in Massenmedien wie dem Fernsehen wird die Wirkung solcher Strategien durch den Einsatz appellativer und emotionaler Sprache verstärkt. Zudem weisen die Strategien auch eine informative und subtile Argumentationsstruktur auf (vgl. Christoph, 2017: 2ff.).

Welche kommunikativen Strategien wendet Klum in ihren sozialen Kategorien an?

Zur Veranschaulichung der kommunikativen Strategien und sozialen Kategorien wird ein kleiner Abschnitt aus dem Transkript (05:26–06:54) der Stellungnahme herangezogen:

112   HK    diese show ist körperverletzung (3.0) es ist selbstverständlich; 

113         NICHT in meinem INTERESSE (.) DAS sich eine kandidatin, 

114         meiner show (-) verLETZT. (—)

115         es werden keine schuhe ANGESÄGT und, 

116         es wird auch KEIN laufsteg manipuliert (.) im GEGENTEIL- (.)

117         DIE SICHERHEIT meiner kandidatinnen HAT stets- (.)

118         höch:ste priorität.

Klum beginnt mit der Wiedergabe eines Medienvorwurfs (Z. 112). Nach drei Sekunden Pause beginnt sie, sich gegen den Vorwurf zu rechtfertigen. Sie betont, dass es „selbstverständlich nicht in meinem Interesse“ (Z. 113) sei, dass sich Kandidatinnen in ihrer Show verletzen. Durch die Ich-Perspektive wechselt sie in die Rolle als Gesicht der Show und übernimmt Verantwortung. Anschließend bleibt sie in der Ich-Perspektive und greift den Vorwurf auf, dass keine Schuhe angesägt und kein Laufsteg manipuliert wird (Z. 115f.).

Mit der Formulierung „im Gegenteil“ (Z. 116) nutzt sie die kommunikative Strategie des Gegenarguments. Nach Zeile 117 wird ein Szenenausschnitt gezeigt, der ihre Fürsorge gegenüber verletzten Kandidatinnen belegt und somit den Vorwurf widerlegt. Eine weitere Strategie, die sie als Mitglied der Show anwendet, ist die der Verantwortungsübertragung:

126   HK    es wird AUCH NICHT manipuliert wer stolpern soll und WER NICHT,  

127         wenn wir DESIGNER oder DESIGNERINNEN zu gast haben;

128         bestimmen DIESE den kompletten look der models. (.) 

Hier verschiebt sie die Verantwortung auf Dritte – die DesignerInnen – und gibt somit im Falle eines Unfalls die Schuld an diese weiter.

Gute Krisenkommunikation?

Diese Strategien wiederholen sich in der etwa zehnminütigen Stellungnahme mehrfach. Besonders häufig kommen Schuldabweisung und Verantwortungsübertragung zum Einsatz. Auffällig ist, dass Klum in solchen Momenten immer in eine Wir-Perspektive wechselt und sich als Teil des Teams positioniert. Geht es jedoch um positive Darstellungen, zeigt sie sich als Medienfigur und Entscheidungsträgerin von GNTM.

Ihre Krisenkommunikation wirkt durch die Szenenausschnitte zwar erklärend, übernimmt jedoch keinerlei Verantwortung und enthält keine Schuldeingeständnisse. Dadurch erscheint die Stellungnahme wenig lösungsorientiert. Die Bewertung, ob es sich um gute Krisenkommunikation handelt, hängt letztlich von den Erwartungen der RezipientInnen ab. Wenn diese sich eine Entschuldigung oder konkrete Lösungsansätze erhofft haben, lässt sich kaum von gelungener Krisenkommunikation sprechen.

Literaturverzeichnis

Auer, Claudia. (2018). Krisen-PR in eigener Sprache: PR-Krisen und ihre Rezeption in der Öffentlichkeit. In René Seidenglanz (Hrsg.), Allmächtige PR, ohnmächtige PR (Bd. 9, S. 353–376). Springer Fachmedien.

Christoph, Cathrin. (2017). Sprache und Text in der Medienarbeit. In Cathrin Christoph & Anika Schach (Hrsg.), Handbuch Sprache in den Public Relations (S. 1–12). Springer Fachmedien.

Herrmann, Simon. (2012). Kommunikation bei Krisenausbruch: Wirkung von Krisen-PR und Koordinierung auf die journalistische Wahrnehmung. Springer Verlag.

Seidenglanz, René, & Hoffjann, Olaf. (2018). (Un)mögliches Vertrauen in PR: Theoretische Grundlagen, Perspektiven und Konfliktlinien. In Olaf Hoffjann & René Seidenglanz (Hrsg.), Allmächtige PR, ohnmächtige PR (Bd. 9, S. 17–37). Springer Fachmedien.

Ulrich, Thomas W. (2016). Einführung. In Thomas W. Ulrich & Mathias Brandstädter (Hrsg.), Krisenkommunikation – Grundlagen und Praxis (S. 15–30). Kohlhammer Verlag.

Videoquellen

Meggy. (2023, Mai). TikTok-Video, Teil I [Video]. TikTok. https://vm.tiktok.com/ZNeK6ugfN/ (abgerufen am 28.04.2025)

Meggy. (2023, Mai). TikTok-Video, Teil II [Video]. TikTok. https://vm.tiktok.com/ZNeK6Q5B4/ (abgerufen am 28.04.2025)

 

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