Früchte und Weiblichkeit: Die Verkörperung eines Mythos
Der Pfirsich wird zur Metapher für zarte, pralle Haut, die Kirsche evoziert die Idee von Unschuld und ihrem Verlust, während die Banane phallische Assoziationen weckt. Fruchtbarkeit und Erotik, Genuss und Verführung, Reife und Vergänglichkeit – all diese Themen verbinden sich mit der Frucht als Symbol, insbesondere in ihrer metaphorischen Übertragung auf den weiblichen Körper.
von Neele Arnold, Lale Nur Doganci, Nadira Dorn, Paula Ingerfeld, Emilia Viktoria Paschka und Monika Schumann
09. Oktober 2025
Kommunikation in Institutionen und Organisationen

,,Adam, Eva und die Frage der Schuld’’
Mythos von Frau und Frucht
Bereits in der Geschichte der christlichen Erbsünde von Adam und Eva spielt die Frucht in Bezug zu Sexualität eine Rolle, da es schließlich die verbotene Frucht ist, die Adam und Eva ihre Sexualität entdecken lässt. Im gleichen Atemzug tritt auf, was beim Thematisieren von Sexualität immer wieder auftritt: die Scham der Sexualität, dargestellt durch die Feigenblätter, mit denen Adam und Eva sich bedecken. Ebenso verborgen trägt der Granatapfel, welcher der griechischen Göttin Aphrodite zugeschrieben wird, einen ideologischen Kern mit sich, den es aufzubrechen gilt. Seine saftig, verführerischen, und zahlreichen Samen, welche von einer prallen Schale umhüllt werden, dienen dabei als Symbol der Verlockung und Fruchtbarkeit. Über den Apfel (wir erinnern uns an Evas „Gräueltat“), stolpern wir auch in der nordischen Mythologie, in der die Göttin der Fruchtbarkeit, Freya, durch seine Überreichung den Genuss und das Leben verspricht und ein Stück ihrer weiblichen Fertilität durch die Hülle des Apfels verschenken kann. Und wenn sogar Volkssagen propagieren, dass das Teilen einer gewöhnlichen Erdbeere die Anziehung zweier Menschen verspricht, dann wird klar, dass wir zwischen Obst, Weiblichkeit und Fruchtbarkeit eine mythische triadische Beziehung erschaffen haben.
Weitergeführt wurden diese Symboliken von Dichtern, Filmproduzenten, Werbungen oder Social-Media-Influencern bis in die heutige Zeit: sie formen somit unser Alltagswissen. Eine der einschneidendsten Szenen in dem beliebten Film ,,Pretty Woman’’, in der die Prostituierte Vivian Ward Erdbeeren als Intensivierung des Champagnergeschmacks verkostet (welches ihr auch noch von einem Mann angeboten wird), gilt als Zeichen für die Mehrdeutigkeit der Frucht. Dass das bloße Essen einer, mit einer erotischen Bedeutung versehenen Frucht, durch eine Frau im Film als sexuelles Stilmittel verwendet wird, kann im Vergleich zu so mancher Werbung noch als zurückhaltende Ausreizung des Mythos betrachtet werden. So sorgte beispielsweise die Darstellung einer nackten Frau, die ihren Körper mit Obst und Gemüse bedeckt, mit der Aufschrift ,,Kaufe unverpackt!’’ in einer Nettowerbung aus dem Jahr 2019 für scharfe Kritik. In der Werbung kommt zu der erotischen Assoziation des weiblichen Körpers mit Früchten die Komponente des Konsums hinzu. Bei genanntem Beispiel wird also der weibliche Körper selbst zum Konsumobjekt, dass wie die Früchte selbst, zum Verzehr und Genuss verlocken soll.
Wie der Mythos sich heute zeigt
Die Verbindung von weiblichem Körper, Sexualität und Früchten zeigt sich schließlich auch in der digitalen Gegenwartsgesellschaft, hier wird dies etwa in der Emojisprache aufgenommen. Statt die Wörter auszuschreiben, wird beispielsweise der Pfirsich als Zeichen für den Po einer Frau und die Kirschen für die Brüste verwendet. Damit weiß in der Regel jeder User, was gemeint ist. Ein fruchtiges Vokabular zur Beschreibung weiblicher Körper zu verwenden, erscheint den meisten Personen weder fremd noch abwegig.
Typisch sind heutzutage auch einige Redeweisen: die ,,Erdbeerwoche” verweist auf die Menstruation, „Kirsche pflücken“ steht für die Entjungferung bzw. den ersten Sex. Beinahe verniedlicht werden diese Geschehnisse durch das immer wieder verwendete Vokabular. Bei solchen Formulierungen kann und muss man sich fragen, was dies für das Verständnis weiblicher Körper (und damit einhergehender Probleme) bedeutet, wenn die Dinge nicht klar benannt, sondern mystifiziert und fruchtig-versüßt werden. Auch die Vergänglichkeit von Früchten kann teilweise mit weiblichen Körpern in Verbindung gesetzt werden: Während junge Frauen als fruchtbar und frisch gelten, sind ältere „schrumpelig“ wie altes Obst. Zusätzlich werden die Schönheitsideale weiblicher Kurven durch Metaphern wie beispielsweise den Pfirsich, welcher für einen prallen runder Po steht, noch verstärkt.

,,Emoji Kirsche Vektor. Cartoon-süße Frucht-emoticons – Vektor Illustration’’

,,Vektor Pfirsich Emoji Design’’
Kritik an der ,,Fruchtifizierung” der Frau
Auf den ersten Blick mag das Phänomen der ,,Fruchtifizierung” von Frauen (und ihrer Sexualität) erst einmal unproblematisch und vielleicht sogar amüsant wirken. Frauen sind schließlich fruchtbar und Obst ist ja nichts Schlechtes. Doch welche Verschleierungen gehen mit solch einer Rede einher? Welcher Blick wird hier verstellt?
Die Geschlechtsorgane von Frauen werden in ,,Pfirsiche” oder ,,Kirschen” umbenannt, schmerzhafte körperliche Prozesse wie die Menstruation werden verharmlost und es wird allgemein das Bild vermittelt, weibliche Sexualität müsste verborgen werden. Sprache hat allerdings Einfluss auf unsere Wahrnehmung der Realität, weshalb gerade besagte sensible Themen aus der Tabuzone in einen offenen und schambefreiten Diskurs verschoben werden sollen. Sexualität und Geschlechtsorgane haben faktisch nichts mit Früchten gemeinsam und können einfach als das bezeichnet werden, was sie sind. Die Ausweichbewegung weg von biologischen Begriffen hin zu Metaphern und Umschreibungen reproduziert eine jahrhundertealte Scham, die letztlich zur Abwertung des Weiblichen führt.
Diese Abwertung wird getragen durch ein Ungleichgewicht zwischen der Fruchtifizierung des Weiblichen und des Männlichen. Bezüglich Männerkörpern gibt es zwar auch vereinzelte Verschleierungen, wie beispielsweise den Emoji, der eine Aubergine abbildet, jedoch ist das Verhältnis zwischen den Geschlechtern insgesamt sehr unausgeglichen. Es entsteht der Eindruck, die Körper und ,,Probleme” der Frauen müssten deutlich mehr versteckt werden als die der Männer. Abschließend lässt sich also sagen, dass viele der Bezüge zwischen Weiblichkeit und Früchten dazu beitragen kulturelle Mythen zu reproduzieren sowie ein problematisches Bild von weiblichen Körpern sowie weiblicher Sexualität weiterhin aufrecht erhalten.
Literaturverzeichnis:
Böldl, Klaus (2013): Götter und Mythen des Nordens. Ein Handbuch. München: C.H. Beck Verlag.
Broustin, Valerie / Simek, Rudolf / Zeit-Altpeter, Jonas (2020): Sagas aus der Vorzeit. Von Wikingern, Berserkern, Untoten und Trollen. Band 1. Heldensagas. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag.
Die Bibel: https://www.die-bibel.de/ressourcen/wibilex/altes-testament/granatapfel-granatbaum (Letzter Zugriff: 01.09.2025, 15:00 Uhr)
Die Bibel: https://www.die-bibel.de/ressourcen/wibilex/altes-testament/fruchtbarkeit (Letzter Zugriff: 01.09.2025, 15:00 Uhr)
Universität Regensburg: https://www.uni-regensburg.de/bibliothek/granatapfel/kulturgeschichtlich/aepfel/index.html (Letzter Zugriff: 01.09.2025, 15:00 Uhr)
Welt: https://www.welt.de/gesundheit/article919273/Aberglaube-und-echtes-Wissen-um-dieErdbeere.html (Letzter Zugriff: 01.09.2025, 15:00 Uhr)
Deutsche Welle: https://www.dw.com/de/erdbeer-kult-%C3%BCber-eine-inspirierende-frucht/a-66069006 (Letzter Zugriff: 01.09.2025, 15:00 Uhr)
Symbolonline: https://symbolonline.eu/index.php?title=Erdbeere (Letzter Zugriff: 01.09.2025, 15:00 Uhr)
Duden: https://www.duden.de/rechtschreibung/Frucht (Letzter Zugriff: 01.09.2025, 15:00 Uhr)
n-tv: Obst und Sexismus-Vorwürfe: Netto provoziert mit nackten Werbe-Models. https://www.n-tv.de (Letzter Zugriff: 01.09.2025, 15:00 Uhr)
Bildquellen:
https://www.lebenjetzt.eu/gott-die-welt/detail/adam-eva-und-die-frage-der-schuld.html
https://www.etsy.com/de/listing/1332220370/vektor-pfirsich-emoji-design-svg-jpg-png
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