Essen wir das Klima auf?

Wer die Rechnung für sein Essen nicht kennt, zahlt doppelt – fürs Klima und die Gesundheit!

Die Dosis macht das Gift
Der Fleischkonsum in Deutschland ist hoch: Pro Jahr verzehrt jeder Deutsche im Durchschnitt rund 52 Kilogramm Fleisch. Diese Menge liegt 37 Kilogramm über den Empfehlungen von Ernährungsexperten. Das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) raten, nicht mehr als 300 Gramm Fleisch pro Woche zu konsumieren – das entspricht 15 Kilogramm pro Jahr.

von Emily Vukovic

06. November 2024

Journalistische und auftragsorientierte Texte

Fleisch- und Wurst-Theke im Supermarkt

Besonders problematisch sei rotes und verarbeitetes Fleisch, laut dem BZfE. Bei einem übermäßigen Konsum steige das Risiko für Dickdarmkrebs, weshalb Fleischwaren sowie gegrilltes und scharf angebratenes Fleisch einzuschränken und durch Fisch, Geflügel, Hülsenfrüchte und Nüsse zu ersetzen sei.

Porträt Dr. Birgit Jähnig als Ansprechpartnerin des Bundeszentrum für Ernährung (BZfE)

Fleisch frisst Klima

Tierische Produkte gefährden unseren Planeten. Ihre Produktion belastet die Umwelt stärker als die der pflanzlichen Lebensmittel: Jede Minute wird eine Regenwaldfläche von drei Fußballfeldern abgeholzt. Pro Tag ist das eine Fläche von 4320 Fußballfeldern.

Derzeit beträgt die landwirtschaftliche Nutzfläche rund 75 Prozent. Dies entspricht der Größe der USA, Chinas, Australiens und der EU zusammen. Weltweit wird bereits etwa die Hälfte aller Ackerfläche zur Futtermittelproduktion verwendet. Damit tragen tierische Produkte wie Milch, Käse und Eier 15 bis 20 Prozent zu den weltweiten Treibhausgasemissionen bei.

Fleisch hat im Vergleich zu Sojaprodukten mit gleichem Proteingehalt einen deutlich höheren Land-, Wasser- und Energieverbrauch und verursacht wesentlich mehr CO₂-Emissionen. 57 Prozent der Treibhausgasemissionen der Lebensmittelproduktion werden durch die Aufzucht und Haltung von Rindern, Schweinen und anderen Nutztieren verursacht, einschließlich der Herstellung von Futtermitteln. Ein Viertel macht allein die Produktion des Rindfleischs aus und ist damit ein Klimakiller. Im Gegensatz dazu sind pflanzliche Lebensmittel lediglich für 29 Prozent verantwortlich.

Nahaufnahme einer Kuh im Stall

Weniger Kacke fürs Klima

Bauern sind oft die ersten, die die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren bekommen: Dürren, die zu mageren Ernten führen, Stürme und Starkregen, die Felder verwüsten und zu milde Winter, die Schädlinge und Krankheiten begünstigen.

Gleichzeitig sind sie am Klimawandel beteiligt: In der Landwirtschaft entstehen zwei Arten von klimaschädlichen Emissionen: Methan und Lachgas, die beide in direkter Verbindung zur Tierhaltung stehen.

Methan entsteht vor allem bei der Verdauung von Wiederkäuern wie Rindern oder Schafen. Obwohl Methan schneller als Kohlendioxid (CO₂) abgebaut wird, ist es 28-mal klimaschädlicher. Methan-Emissionen machen rund 62 Prozent der Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft aus.

Kühe im Stall beim Fressen

Insbesondere durch die Massentierhaltung fallen große Mengen an Gülle auf kleiner Fläche an. Sie wird als Düngemittel für die Landwirtschaft eingesetzt. Lachgas wird freigesetzt, wenn die Böden gedüngt werden. Landet zu viel auf den Feldern, können Pflanzen den Dünger nicht mehr aufnehmen. Aus der Gülle bildet sich Nitrat, welches unser Grundwasser belastet. Dabei entsteht Lachgas, das fast 300-mal klimaschädlicher ist als Co₂ ist und 34 Prozent der Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft ausmacht.

Vegetarismus und Veganismus als die Lösung?

Der effektivste Weg, das Klima zu schützen, ist die Ernährung umzustellen. Wer weniger Fleisch isst, trägt bereits zum Klimaschutz bei!

Der Verzehr von geringen Mengen tierischer Lebensmittel verkleinert seinen eigenen CO₂-Fußabdruck bereits um 27 Prozent. Verzichtet man komplett auf Fleisch, würde er sich um weitere 28 Prozent verringern, also insgesamt 55 Prozent Ersparnis. Wer zusätzlich auf alle anderen tierischen Produkte verzichtet, kann die Emissionen insgesamt um bis zu 73 Prozent reduzieren.

Das Ersetzen von Fleisch durch pflanzliche Alternativen macht einen spürbaren Unterschied: So halbiert ein Sojaburger den CO₂-Fußabdruck einer Mahlzeit im Vergleich zu einer Rinderfrikadelle.

Diese Erfahrung hat auch Jennifer Vukovic gemacht. Sie hat angefangen, weniger Fleisch zu essen und vermisst es kein bisschen.

Porträt von Jennifer Vukovic in der Natur

Früher kam fast täglich Fleisch auf den Tisch – ob Schwein, Rind oder Geflügel. Heute isst sie kaum noch Fleisch und wenn sie es tut, ist es ein bewusster Fleischkonsum. Der ausschlaggebende Faktor für das Umdenken war die Umwelt: „Wir haben nur eine Erde.“ Natürlich profitiere auch die eigene Gesundheit vom geringeren Fleisch, doch für sie steht fest: „Eine gute Gesundheit nützt wenig, wenn die Erde zugrunde geht.“

Jennifer Vukovic lächelnd auf einem Bauernhof

Wie gut sind die Alternativen?

Fleischersatzprodukte haben im letzten Jahrzehnt immer mehr an Beliebtheit gewonnen. Sie ahmen den Geschmack und die Textur von Fleisch nach und erleichtern so vielen den Einstieg, die vegetarische Ernährung einfach mal auszuprobieren. 2014 gab es noch kein Regal für vegetarische Alternativen – kaum vorstellbar, wenn man heute in den Supermarkt geht.

Ein Regal voll mit Fleischersatzprodukten von Rügenwalder Mühle im Supermarkt

Schaut man auf die Marke Rügenwalder Mühle wird die Nachfrage deutlich. Sie haben ihre Marke seit 1843 mit Wurst aufgebaut. Heute machen Fleischersatzprodukte 60 Prozent ihres Umsatzes aus. Aber wie gesund sind diese Produkte überhaupt?

Auch Jennifer Vukovic griff gerne mal nach ihnen, bis sie herausfand, dass es sich um hochverarbeitete Lebensmittel (oder kurz: UPF; die englische Abkürzung für „ultra processed food“) handelt. Sie begünstigen Herz-Kreislauf-Erkrankungen um fünf Prozent und erhöhen das Risiko für einen frühen Tod um zwölf Prozent. Solche Lebensmittel darunter auch Backwaren, Süßigkeiten oder Limonaden enthalten viel Zucker, Salz und Fett. Das BZfE rät dazu sich die Zutatenlisten und die Nährwert-Tabelle genau anzuschauen und das Produkt mit möglichst wenig Zutaten zu wählen oder direkt mit frischen Zutaten selbst zu kochen. Wenig verarbeitete Produkte sind zum Beispiel Natur-Tofu, naturbelassenen Lopino oder Seitan. Stattdessen kann man auch zu Hülsenfrüchten wie Linsen, Bohnen und Kichererbsen greifen. Sie enthalten viel Eiweiß und weitere wichtige Nährstoffe wie Vitamin B1, Vitamin B6, Folat, Eisen, Magnesium und Zink.

Kuhmilch und ihre Alternativen

Milchalternativen sind in Deutschland besonders beliebt, sogar noch mehr als Fleischersatzprodukte. Im Jahr 2021 lag ihr Absatz bei über 286 Millionen Kilogramm pro Jahr. Während Fleisch- und Wurstalternativen nur auf rund 13 Millionen Kilogramm pro Jahr kamen. Pflanzliche Alternativen aus Reis, Soja, Hafer oder Mandeln verursachen zudem nur halb so viele Treibhausgasemissionen wie Kuhmilch. Am umweltfreundlichsten ist der Haferdrink, da Hafer regional angebaut werden kann. Das reduziert den Wasserverbrauch im Vergleich zur Mandelproduktion und minimiert die Transportemissionen, die bei importierten Sojabohnen anfallen.

Auswahl an Milchalternativen im Supermarkt

Apropos Nährstoffe

Von überzeugten Fleischessern hört man oft, dass ein Verzicht auf Fleisch unmöglich sei, weil sonst ein Mangel an Proteinen oder Eisen drohe. Aber ist das wirklich so?

Oh, der berüchtigte Eisenmangel. Dabei gibt es pflanzliche Lebensmittel, die mehr als das Doppelte an Eisen liefern als Fleisch. Haferflocken haben ganze 5,4 Milligramm Eisen auf 100 Gramm. Im Vergleich hat Rind nur 2,1 Milligramm, Schwein 1,4 Milligramm und Geflügel gerade einmal 0,7 Milligramm Eisen.

Aber was ist mit den Proteinen? Auch hier sind die Sorgen unbegründet. Während Geflügel auf 100 Gramm etwa 23 Gramm Eiweiß liefert, kommen pflanzliche Alternativen wie Sojabohnen auf 12 Gramm, Tofu auf 16 Gramm und Seitan sogar auf 25 Gramm Eiweiß. Hinzu kommen bei einer vegetarischen Ernährung weitere Quellen wie Eier, Magerquark und andere Milchprodukte, die ebenfalls hochwertige Proteine liefern.

Das BZfE betont, dass es vor allem um Calcium, Vitamin B12, Jod, Zink und Eisen gehe. Studien zeigen jedoch, dass Vegetarier in der Regel genauso gut mit diesen Nährstoffen versorgt sind wie Fleischesser. Nur Veganer müssen gezielt auf eine ausreichende Zufuhr dieser Nährstoffe achten, um Mangelerscheinungen zu vermeiden. Also: Grundsätzlich kann man alle notwendigen Nährstoffe problemlos aus pflanzlicher Nahrung beziehen.

Aber was sagt die Statistik noch? Die Lebenserwartung von Vegetariern ist in der Regel höher als die der Durchschnittsbevölkerung. Grund dafür ist nicht die vegetarische Ernährung, sondern das Gesundheitsbewusstsein. Auch Fleischesser, die gesundheitsbewusst leben, oder Menschen, die Fisch und/oder geringere Mengen Fleisch essen, leben länger.

Reife Tomaten aus eigenem Anbau

Über den Tellerrand hinaus: Was ist die ideale Ernährung für Gesundheit und Umwelt?

Ernährung ist nicht mehr gleich Ernährung. Mit ihr haben wir die Chance globalen Problemen entgegenzuwirken: Schadstoffbelastung von Luft, Wasser und Böden, Abholzung von Wäldern für Futtermittel, der Verlust der Artenvielfalt, die Überfischung der Meere, die Zerstörung fruchtbarer Böden. Die EAT-Lancet-Kommission hat auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse die Planetary Health Diet entwickelt. Sie geht Hand in Hand mit einer umweltverträglichen Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion und Ernährungsweise. Sie empfiehlt eine breite Lebensmittelauswahl mit reichlich Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten, Samen und Nüssen sowie mäßige Anteile tierischer Produkte wie 300 Gramm Fleisch oder 200 Gramm Fisch pro Woche. Würden alle Länder den Empfehlungen, der Planetary Health Diet folgen, könnten bis zum Jahr 2050 etwa zehn Milliarden Menschen auf der Welt ernährt werden. Das ist das 1,25-Fache der jetzigen Weltbevölkerung.

Auch das BZfE stimmt zu: „Für die meisten Menschen dürfte eine pflanzenbetonte Ernährung mit moderaten Mengen an Fisch, Geflügel, magerem Fleisch, Milchprodukten und Eiern, die empfehlenswerte Ernährungsform sein.“ Vor allem sind regionale und saisonale Kost zu empfehlen, da sie die Umwelt am wenigsten belastet

Laut einer Studie der Universität Freiburg ist die vegetarische Variante der Planetary Health Diet die „ressourcenschonendste Ernährungsweise“. Besonders effektiv ist sie, wenn Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung umgesetzt werden.

Für die Tonne

Jährlich werden weltweit 1,3 Milliarden Tonnen essbare Lebensmittel weggeworfen. Diese Menge entspricht 37-mal der Höhe des Mount Everest, dem höchsten Berg der Welt. Diese Ressourcenverschwendung betrifft auch Deutschland: Laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) landen in Deutschland circa 11 Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr im Müll. 60 Prozent der Abfälle entstehen in privaten Haushalten.

Jeder von uns kann aktiv zur Veränderung beitragen. Wir leben in einem Lebensmittelüberschuss und müssen lernen, Lebensmittel wieder mehr wertzuschätzen. Durch das Planen von Mahlzeiten kann man übermäßigen Konsum verhindern. Hat man etwas übrig kann man es einfrieren, an Nachbarn und Freunde weitergeben oder etwas Leckeres daraus kochen. Auch das Mindesthaltbarkeitsdatum ist kein Stichtag zum Wegwerfen. Viele Lebensmittel halten sich länger, wenn sie richtig gelagert werden. Durch das Riechen und Probieren lässt sich schnell herausfinden, ob etwas noch gut ist.

Leckerer Kartoffel-Zucchini-Karotten Auflauf, verfeinert mit Basilikum und Parmesan

Fazit: Jeder Bissen zählt

Unser hoher Fleischkonsum schadet nicht nur unserer Gesundheit, sondern trägt auch erheblich zur Umweltverschmutzung und zum Klimawandel bei. Die tierischen Produkte haben einen weitaus größeren CO₂-Fußabdruck als die pflanzlichen Lebensmittel, sei es durch hohe Treibhausgasemissionen, massiven Flächenverbrauch oder intensiven Wasser- und Energiebedarf. Während Vegetarismus und Veganismus nicht für jeden die ideale Lösung darstellen, steht eines fest: Wir müssen den Konsum tierischer Produkte deutlich reduzieren, um unseren Planeten zu retten. Jeder Bissen zählt – und wir alle haben die Möglichkeit, durch bewusste Entscheidungen einen nachhaltigen Unterschied zu machen.